Tipps zum optimalen Genuß der Weine des Angebots
Glas: Die Wichtigkeit des Glases kann, entgegen allen pseudoaufklärerischen Statements, schwerlich überbetont werden. Solange uns keine besseren Gläser bekannt sind, gilt unsere uneingeschränkte Empfehlung den RIEDEL Sommeliergläsern (Burgunder Grand Cru 400/16 - rote Burgunder, Montrachet 400/7 - weiße Burgunder, Hermitage 400/30 - Weine der Rhône). Es ist das Verdienst der Fa. RIEDEL bei der Entwicklung der Gläser kompromißlos allein ihrer Funktion zugearbeitet zu haben, keine Erwägungen der Ästhetik, der Bruchsicherheit o.ä. beeinflußten die Konzeption der Gläser - eine Revolution in Sachen Glas! 1958, als das Glas auf den Markt kam, wurde das große Burgunderglas, das sog. 'Goldfischglas' aufgrund seiner Dimension belächelt, seiner Durchsetzung bei allen großen Passionierten des Pinot hat das keinen Abbruch getan. Dieses mittlerweile "mythische" (Bettane/Desseauve) Glas bildet in der Produktion eines harmonischen Frucht-Säurespiels jene Subtilität ab, zu der großer Burgunder fähig ist. Ungnädig ist es mit kleinen, schwachen Weinen - diese wirken hier noch matter als sie ohnehin sind.
Vom Gebrauch des modischen ZALTO-Burgunderglases ist vehement abzuraten, auch wenn es in Sachen Bruchfestigkeit und Preis punkten mag (was tatsächlich der Grund ist, warum selbst sehr gute Restaurants dieses Glas 'führen'). Jedenfalls verhindert dieses Glas die Fülle und Harmonie der Burgunder, es führt diese schlicht nicht zu einer Definition des Weines, präsentiert diesen schwankend und unstet, zugleich ärmer, geduckter, energieloser. Die roten Burgunder dieses Angebots sind mit dem ZALTO-Glas schlicht nicht erkennbar in ihrer Substanz, Definition und harmonischen Veranlagung. Beim Glas muß man sich entscheiden - bringt es einen Wein optimal zum Ausdruck oder sind mir als Geniesser andere Punkte wichtiger.
Belüftung: Stimmen Temperatur und Glas (das RIEDEL-Glas gibt es auch in günstigerer 2. Wahl, die dem Geschmack keinen Abbruch tut), bleibt das Thema der Belüftung eines Burgunders. Hier lasten noch immer stark Vorstellungen im Bewußtsein, die zu längst vergangenen Zeiten gehören. Aus dem Keller holen und direkt in ein Ballonglas, so trinke man Burgunder, so täten die Burgunder es selbst, editiert Serena Sutcliffe in den 80er Jahren. Mag sein, daß es einmal so war, aber heute öffnen Burgunds Winzer morgens ihre 2008er, um sie abends zu verkosten. Burgunds Weine werden nämlich reduktiv ausgebaut, sie werden also nicht wie in den 80er Jahren x-fach von ihren Hefen abgestochen und müde oxydiert. 1-2xfacher Abstich von den Hefen, so werden heute Burgunder ausgebaut, zuweilen auch ohne den Wein mit Sauerstoff in Kontakt zu bringen. Und so brauchen junge Burgunder - ganz gleich ob rot oder weiß - Sauerstoff, pathetisch gesagt, wie die Luft zum Atmen. Nicht die brachiale mehrstündige Umfüllung in eine Karaffe, jedoch die sanfte, langsame Oxydierung. Selbst ein Bourgogne rouge vermag so am 2. Tag der Öffnung, wie etwa ein 2011er Exemplar Virgile Ligniers bewies, mehr über seine Definition wie Harmonie zu erzählen als noch am ersten. Was für junge Burgunder (ebenso wie für Rhôneweine!) gilt, trifft auch auf gereifte Exemplare zu. Hier bewirkt (mindestens) 30-60minütige vorherige Öffnung ebenso Wunder. Und ein nur vermeintlich oxydierter zehn Jahre alter weißer Burgunder gewinnt so seine Spannung zurück und erfüllt alle Erwartungen.
Lagerung: Ein gut sortierter (Terroirwein-) Keller wird - wenn er denn zum Trinken und nicht zum Spekulieren angelegt wurde - jede Appellationsstufe umfassen. Wer trinkt schon täglich einen Malconsorts oder einen Hermitage - außer Snobs ? Situation, Essen, eigene Stimmung und Verfaßtheit - das ruft - gleich ist da nichts - nach wechselnden Weinen und Güten. Übrigens sind wir gegen jene Konkurrenzveranstaltungen, die an Weinen exerziert werden und wo diese selten einmal ihre je eigene Güte, stets am ehesten zu einem passenden Essen, zeigen können.
Es stellt sich also die Frage der sachgemäßen Lagerung, denn jeder die Natur seiner Herkunft respektierende Wein profitiert von einer je nach der Größe seiner Herkunft unterschiedlich notwendigen Lagerung. Auch das unterscheidet diese Weine vom Meer der vorfabrizierten Alkoholsäfte - sie haben ein Leben, einen Zyklus, also eine Entwicklung. Wer also unsere Art von Weinen mit hohem Genuß trinken will - was sich sehr vom Jungweinverkosten unterscheidet, das (allein) dem Erfahrenen Indikationen für die Zukunft liefern kann insbesondere per Prüfung der Balance, Länge und der Entwicklung mit Sauerstoff - , wird bei aller Balance, die erstklassige Burgunder- wie Rhôneweine heute aufweisen und die ihre (An-)trinkbarkeit ausmacht, zuallermindest einen Teil eines 6er-Gebindes lagern, um den Wein auf dem Höhepunkt seiner Harmonie und Komplexität zu erleben.
Wenn man sich mit Jahrgängen befaßt, dann eben u.a. auch deshalb, weil man mit dem Begriff des jeweiligen Charakters Aufschlüsse über die Unterschiedlichkeit erforderlicher Lagerzeiten hat. Denn die Notwendigkeit der Lagerung begründet sich neben dem Charakter der Lage und dem Stil des Winzers natürlich auch durch die vorherrschende Konstitution der Weine eines Jahres. Bemerkenswert dabei ist, daß Jahrgänge wie 2000 oder 2007, beides vom Journalismus eher weniger geliebte Kinder, sowohl jung als auch gereifter, also eher kontinuierlich viel Trinkgenuß bieten. 2005 dagegen, ein Jahr, das vom Journalismus in den Himmel gehoben wurde in Sachen Burgund, weil hier alles, was einen Wein ausmacht im Höchstmaß vorhanden sein kann, beginnt gerade erst, was die Villages angeht, seine Festigkeit abzulegen und sich der erhofften Sinnlichkeit zu nähern. Aber die exzellenten Premier Crus des Jahres sollten eher bis 2020 ungeöffnet bleiben und die Grand Crus wohl erst ab vielleicht 2025 langsam geöffnet werden.
Trinkgenuß findet also seine Parallele keineswegs simpel in der Hierarchie der Einstufung, die der Journalismus vorgenommen hat, es ist also völlig falsch aus der (ohnehin falsch generalisierenden) Qualitätskategorisierung eines Jahrgangs den entsprechenden Trinkgenuß zu folgern wie es ein vielfach anzutreffender Fehler ist. Unbekannt ist eben oft, daß Terroirweine ein Leben, eine Entwicklung haben. Daher der Schluß, die journalistisch verkündete Größe eines Weines (es war die marketingtechnisch geniale Idee eines Robert Parker, Güte in eine zweistellige Ziffer, die berühmten Punkte, zu übersetzen und so Breitenwirkung zu erreichen) mit einer sogleich kolossalen Sinneserfahrung ineins zu setzen. Aber dieses Verwechslung beherrschen nicht nur Starter in Sachen großen Weins, auch bereits Bewanderten fällt der Fehler sehr leicht, den vorfindlichen Zustand eines Weines für genau das zu halten, was den Wein ausmacht.
Es fällt also sehr schwer - die erforderliche Abstraktion gelingt umso leichter, je mehr Erfahrungen man mit der Entwicklung von Weinen gemacht hat - einer Vorstellung über die Zukunft Platz zu lassen ganz unabhängig von dem jeweils erfolgten konkreten Genuß. Die hier gegebene Begründung der Notwendigkeit, der Abstraktion bei nicht ausgereiften Weinen immer einen Platz zu lassen, ist nicht identisch mit der sattsam bekannten Entschuldigungstour für ganz offensichtlich mittelmäßigen Wein, dem es einfach nur an Zeit fehle. Denn guter, balancierter, typischer Burgunder oder Rhônewein vermittelt immer einen Eindruck seiner Klasse. Andersherum, aus einem wirklich häßlichen Entlein wird kaum einmal ein schöner Schwan...
Fazit: Kurzum, Weine, die heute von zumindest den großen Winzern Burgunds à la haute couture erzeugt werden, verlangen auch ein gewisses Maß an Umsicht und Überlegung von dem, der sie sich optimal erschließen will. Geduld will aufgebracht sein für die Lagerung (aber ist die Perspektive etwa eines gereiften Lavaux St. Jacques Mortets nicht auch eine Form der Freude ?) und etwas Überlegung, wozu und wie der Wein zu öffnen ist.
Nur derjenige, der in der beschriebenen Form seine Vorkehrungen trifft, wird das Potenzial dieser Weine ganz ausschöpfen und sein Verständnis der Terroirs schärfen.